Erstklässler starten die Verschönerung der Mauer

Erstklässler starten die Verschönerung der Mauer

Die Mauer an der Straße unserer Schule soll schöner werden, die alte Farbe musste weichen und nun entstehen die ersten bunten Flächen und Formen. Die Kinder der ersten Klasse waren die ersten, die einen Teil der Wand verschönern durften. Sie hatten in diesen Tagen einfach einen Riesenspaß, von der pädagogischen Absicht dahinter hatten sie nichts gemerkt.

Wenn wir als Erwachsene jedoch genau schauen, entdecken wir auf dem Foto Spiralen, Kurven und Linien – ganz typische Dinge für das Fach „Formenzeichnen“, das ab der ersten Klasse in der Waldorfpädagogik ein sehr wichtiger Bestandteil des Lehrplans nach Rudolf Steiner ist.

Das Formenzeichnen ist vor allem ein Umgang mit der Linie, ohne dass etwas Gegenständliches gezeichnet wird. Für die Kinder ist es sehr geeignet, um sie zur Ruhe und Konzentration zu führen. In der 1. Klasse kommt es dem Bewegungsdrang des Kindes entgegen, denn die einzelnen Formen werden mit Hand und Fuß zunächst in der Luft gezeichnet und auch gelaufen. Diese Formen sind also nichts Gegenständliches, sondern lassen sich eher als eine Art Spur eines Bewegungsablaufes verstehen.

Natürlich bildet das Formenzeichnen auch eine Art Vorbereitungsgrundlage für das Schreiben in der 1. Klasse. Das Zeichnen der Geraden und der Krummen, welches jeder Waldorfschüler an seinem ersten Schultag vollzieht, leitet die erste Epoche des Formenzeichnens ein. Die Geschicklichkeit des Handgelenks wird geschult in allen Varianten dieser grundlegenden Urformen.

Aber das Formenzeichnen regt auch zu einer innerlichen, seelischen Art der Formpflege und Gestaltung in uns Menschen an. Formgebärden der äußeren Dinge, die in der Welt erlebt werden, werden so erfasst und ergriffen. So lernt der Erstklässler das Innere, Seelenhafte der Dinge kennen. Die Kinder erwerben dadurch die Fähigkeit, seelisch Erlebtes in eine Bildgestalt umzuwandeln.

Die Gerade und die Krumme sind Urformen, die eigentlich überall in der Welt auftauchen: in Stein, Pflanze, Tier und Mensch. Wir Menschen tragen die Gerade sowie die Krumme in uns. In unserer Aufrechten die Gerade, das Strahlende der Gliedmaßen, ebenso aber auch das Krumme, das Gewölbte in unserem Kopf, unseren Organen.

Im Formenzeichnen-Unterricht werden Gerade und Krumme in ihrer Polarität erlebt. Die gerade Linie fordert und fördert Konzentration, einen vom Gedanken gerichteten Willen. Die nicht zielgerichtete „krumme“ Linie lässt dem Individuellen Raum, Gefühl bestimmt den Willen.

Nun also Spiralen an der Mauer der Waldorfschule Diez. Die Erstklässler sind jetzt, fast ein Jahr nach ihrem ersten Schultag, viel weiter fortgeschritten. Die Spiralform konzentriert die Bewegung und hilft den Kindern, ihre innerliche Mitte und ihre Konzentration zu finden.