Das Konzept des „bewegten Klassenzimmers“ jetzt auch in der zweiten Klasse.

Das Konzept des „bewegten Klassenzimmers“ jetzt auch in der zweiten Klasse.

Das Unterrichten ist heute grundsätzlich schwieriger geworden. Kinder sind unruhig, räkeln sich hinter den Tischen, stehen mitten im Unterricht auf, werfen sich hin, wenden sich anderen zu, hantieren ziellos mit Gegenständen.

Es sind der gesellschaftliche Wandel und die damit verbundenen modernen Lebensverhältnisse, die zu Änderungen im Verhalten und Handeln heutiger Kinder führen. Dies stellt auch jede Schule vor neue Herausforderungen, die nicht allein durch spezielle Fördermaßnahmen behoben werden können, sondern eine grundsätzliche Umgestaltung des schulischen Lernens und Lebens fordern.

Eine zentrale Problematik des Wandels besteht darin, dass Kinder sich und ihre Welt immer weniger über Bewegung erfahren. Ihr Bewegungsbedürfnis können sie mangels geeigneter Gelegenheiten oft nur verzerrt und meist in unpassenden Situationen zum Ausdruck bringen (wie im Klassenunterricht). Auch können sie ihr Bewegungsgeschick mangels ausreichender Selbsterprobung nicht optimal entwickeln. Gefragt ist mehr Bewegung beim Lernen.

Wer heute die Enge üblicher Klassenräume durch das Mobiliar mit Tischen und Stühlen wahrnimmt, kann sich leicht vorstellen, dass gerade das Bewegungsbedürfnis der jüngsten Schülerinnen und Schülern im Klassenraum nur schwer befriedigt werden kann. Wie kann aber mehr Zusammenklang zwischen Bewegung und Lernen stattfinden?

Schon in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts experimentierten einzelne Waldorfschulen, angeregt vom schwedischen Pädagogen Pär Albohm, mit mehr Bewegungselementen im Unterricht. Das „Bewegte Klassenzimmer“ geht auf ein hessisches Projekt an staatlichen Schulen zurück, welches von Dorothea Beigel 2002 dokumentiert und veröffentlicht und motopädagogisches und kinesiologische Elemente in der Bewegungsschulung berücksichtigte.

Ganz praktisch geht es darum, durch den Verzicht von Tischen und Stühlen mehr Platz zu schaffen und damit Möglichkeiten für Bewegung und Lernen im Raum zu ermöglichen. Durch Bänke und Kissen, die stattdessen als Mobiliar dienen, gibt es jede Menge an Gestaltungsmöglichkeiten, da relativ leicht umgebaut werden kann.

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Aus den Bänken kann ein Parcours entstehen, an dem die Kinder ihren Gleichgewichtssinn und ihre Geschicklichkeit üben können. Die Bänke können als Tische genutzt werden, so dass die Schüler auf ihren Kissen davor sitzen können. Hierdurch erhalten sie eine sichere Basis, da sie unmittelbar mit dem Boden in Kontakt sein können.

Die schönste Form aber ist der Kreis, der mit den Bänken gestellt werden kann. Im Morgenkreis sitzen die Schüler mit ihrem Lehrer auf den Bänken und berichten sich vielerlei, täglich. Am Ende des Unterrichts kommen Klassenlehrer und Kinder noch einmal im Kreis zusammen, und die Schüler hören ein Märchen oder eine Geschichte zum Abschluss des Tages.

Die Anwesenheit des Klassenlehrers über den ganzen Schultag gehört zum Konzept. Im Fachunterricht nach 10 Uhr steht er täglich und „ganz natürlich“ den Kindern betreuend und begleitend auch nach dem Hauptunterricht zur Seite. Der Klassenlehrer bildet so den Rahmen, in dem sich die Kinder geborgen und aufgehoben fühlen können.

Das Kollegium der Freien Waldorfschule Diez hat mit dem „Bewegten Klassenzimmer“ zum Schuljahr 2016/2017 begonnen, zunächst ausschließlich in Klasse 1. Der Klassenraum wurde neu eingerichtet, und nach einem ersten halben Jahr Praxiserfahrung wurde in verschiedenen Konferenzen über dieses Konzept beraten und Erfahrungen ausgetauscht.

Klassen- und Fachlehrer beurteilten schon kurz nach den ersten Wochen das Konzept durchweg positiv. Die Kreisform ist gerade für den spielerischen Fremdsprachenunterricht in den ersten Jahren ideal. Der Raum verfügt nun auch über genügend Platz für die Spiele. Durch die verstärkte Bewegung auch in den Umbaupausen wird das soziale Miteinander der Klasse verstärkt. Die unteren Sinne, die so genannten Basissinne, werden endlich ausreichend angesprochen. Und durch die Kreisform gibt es weniger Unruhe: jeder sieht jeden und die Schüler können sich besser gegenseitig zuhören.

Ein erfahrener Kollege der Waldorfschule in Otterberg kam in den ersten Unterrichtswochen zu einer Weiterbildung des Kollegiums und der Ganztagsschule-Betreuerinnen vorbei und begeisterte alle mit großem Ideenreichtum für alle Fächer.

Unser Lehrerkollegium beriet sich nun intensiv und entschloss sich zu dem mutigen Schritt, das Konzept des „bewegten Klassenzimmers“ für die beiden ersten Klassenstufen dauerhaft einzurichten.

So ist zum Schuljahr 2017/2018 auch der Klassenraum für die 2. Klasse neu eingerichtet worden. In den Klassen 1 und 2 werden für unsere Schüler ganz neue Möglichkeiten des bewegten Lernens entstehen.

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